Niko Rittenau

"Gesundes Essen muss schmackhaft sein und schmackhaftes Essen muss gesund sein."

Portrait

Der Wahlberliner Niko Rittenau ist studierter Ernährungsberater mit dem Fokus auf pflanzliche Ernährung. Er kombiniert seine kulinarischen Fähigkeiten aus der Kochlehre im Rahmen seiner Primärausbildung zum Touristikkaufmann an den Kärntner Tourismusschulen mit dem Ernährungswissen seiner akademischen Laufbahn, um Innovationen zu kreieren, bei denen guter Geschmack auf Gesundheitsbewusstsein und nachhaltigen Konsum trifft. Er zeigt in Vorträgen und Seminaren seine Version von bedarfsgerechter Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung und fördert die Achtsamkeit gegenüber hochwertigen Lebensmitteln. Nach seinem Bachelorstudium in Ernährungsberatung an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement befindet sich Niko derzeit im weiterführenden Masterstudium an der Fachhochschule des Mittelstands im Studiengang der Mikronährstofftherapie und Regulationsmedizin. Niko ist zusammen mit Sebastian Copien, Heather Donaldson, Flippo Riedel und Boris Lauser Teil des Plant-Based Institute und ist Autor des Bestellers „Vegan-Klischee ade!“.

www.nikorittenau.com

Interview

Viele Menschen reagieren beim Thema Veganismus ablehnend und verbinden diese Ernährungsweise mit einem Verzicht. Warum ist das so und wie ist es möglich, solche Vorbehalte abzubauen?
Ich kann nachvollziehen, warum Menschen ohne Vorkenntnisse zu veganer Ernährung so denken. Selbstverständlich „verzichtet“ man in der veganen Ernährung auf gewisse Lebensmittel, aber die meisten vegan lebenden Menschen berichten, dass sie durch ihre Ernährungsumstellung mehr neue Lebensmittel kennengelernt haben als sie aus ihrem Speiseplan gestrichen haben. Vielen Menschen ist die enorme Vielfalt der pflanzlichen Küche gar nicht bekannt und daher ist es so wichtig, möglichst viele Informationen und Rezepte rund um die vegane Ernährung zugänglich zu machen, um eben jene falschen Vorurteile abzubauen.

Was sagst du zu dem Vorurteil, die vegane Küche sei eintönig?           
Jede Küche kann eintönig sein – egal ob vegan oder mischköstlich. Allerdings zeigen die zahlreichen veganen Kochbücher und Rezepteblogs, dass dies absolut nicht der Fall sein muss. Kaum eine Küche ist bunter als die vegane und mit ein paar einfachen Tipps kann man leicht eine große Vielfalt in den eigenen veganen Speiseplan bringen. Damit vegane Gerichte gut schmecken, muss man lediglich die Grundtechniken der klassischen Küche verstehen und anwenden und durch die richtigen Gartechniken, Gewürze und Kräuter die nötige geschmackliche Abwechslung kreieren.

Verbreitet ist auch die Annahme, dass Veganer*innen unter Nährstoffmangel leiden. Warum ist die vegane Küche aber doch gesund und was sind die wichtigsten Zutaten für eine ausgewogene Ernährung?
Erneut kann auch ein Nährstoffmangel grundsätzlich in jeder Ernährungsweise auftreten. Die kritischen Nährstoffe der jeweiligen Ernährung sollte man kennen und man sollte diese decken. Damit vegan lebende Menschen wissen, in welchen Lebensmitteln die jeweiligen kritischen Nährstoffe zur Genüge enthalten sind und was es dazu zu beachten gibt, habe ich in meinem Buch „Vegan-Klischee ade!“ zu jedem einzelnen Nährstoff ein ganzes Kapitel geschrieben und Grafiken angefertigt, welche diese Lebensmittel auflisten. Eine vollwertige vegane Ernährung besteht aus den Lebensmittelgruppen Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst sowie Nüsse und Samen. Wenn man täglich aus jeder dieser Kategorien vollwertige Lebensmittel auswählt, eine bedarfsdeckende Kalorienbilanz erreicht und einen Fokus auf gewisse kritische Nährstoffe hat, steht der optimalen veganen Ernährung nichts mehr im Weg.

Was müsste die Politik aus deiner Sicht als Erstes ändern, um die Ernährungssituation von vegan lebenden Menschen in Deutschland zu verbessern?    
Es gibt zwei wichtige Punkte, die sich zukünftig auf politischer Ebene ändern müssen: Zum einen ist es nicht vertretbar, dass die EU-Bioverordnung verbietet, dass Bioprodukten keine Nährstoffe zugesetzt werden dürfen. Diese Regelung verbietet, dass es biologische Pflanzenmilch und andere vegane Produkte gibt, die mit wichtigen Nährstoffen wie Vitamin B12 angereichert werden. Darüber hinaus wird in Deutschland dem Tierfuttermittel eine Reihe an Nährstoffen wie beispielsweise Selen beigegeben, wodurch tierische Produkte erst die notwendigen Mengen an Selen enthalten. Dabei werden vegan lebende Menschen, die diese Produkte nicht konsumieren, aber übersehen. Daher sollten wir vielmehr dem Vorbild Finnlands folgen und Selen dem Boden zusetzen, damit auch pflanzliche Lebensmittel ausreichende Mengen an Selen enthalten, um damit den Bedarf von Veganer*innen zu decken. Diese und weitere Beispiele zeigen die Notwendigkeit einer starken Interessensvertretung vegan lebender Menschen auf politischer Ebene.

Sind vegane Zutaten wirklich teurer im Vergleich zu Gerichten, die auch tierische Bestandteile enthalten?
Natürlich gibt es teure pflanzliche „Superfoods“ und weitere preisintensive importierte vegane Lebensmittel. Aber diese Lebensmittel benötigt man im Rahmen einer veganen Ernährung nicht zwingend. Vegane Grundnahrungsmittel wie Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte sind überaus günstig und wenn Verbraucher*innen etwas preissensibler einkaufen, können sie auch frisches Obst und Gemüse günstig bekommen. Vor allem Tiefkühlware ist hier eine preisgünstige und dennoch gesunde Variante. Tierische Produkte sind oft aufgrund von Subventionen und anderer Besteuerung (z.B. Kuhmilch mit 7% und Pflanzenmilch mit 19%) künstlich günstig gehalten.

Stimmt es, dass es aufwändiger ist, vegane Gerichte zuzubereiten?  
Ich denke nicht, dass vegane Gerichte zwangsläufig aufwändiger in der Zubereitung sind. Man muss lediglich die Kochtechniken der klassischen Küche konsequent auch auf die Gemüseküche anwenden, sich in Bezug auf das richtige Würzen informieren und gewisse Gerichte neu überdenken, um abwechslungsreich, schmackhaft und gesund vegan zu kochen.

Wann und wie kam es bei dir zu der Entscheidung, vegan zu leben?  
Nach meiner Ausbildung zum Touristikkaufmann bin im ich Jahr 2012 während meines anschließenden Studiums der Unternehmensführung in Wien erstmals durch die Vegane Gesellschaft in  Österreich (VGÖ) in Kontakt mit der veganen Idee gekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir schlichtweg nicht bewusst, welch enormes Leid die Produktion von Milch und Eiern mit sich bringt. Als ich dann ein Jahr später im Sommer 2013 für ein Praktikum nach Berlin zu ProVeg (ehemals VEBU) ging, habe ich für mich endgültig entschieden, mich aus ethischen Gründen strikt vegan zu ernähren. Da ich zu diesem Zeitpunkt allerdings verunsichert war, ob dies aus gesundheitlichen Gründen wirklich eine gute Entscheidung ist, habe ich aus privatem Interesse heraus mit meinem Bachelorstudium der Ernährungsberatung begonnen. Ich wollte die gesundheitsbezogenen Aussagen zur pflanzlichen Ernährung nicht nur glauben, sondern wirklich verstehen, was es mit Ernährung auf sich hat und über wissenschaftliche Fakten Bescheid wissen. Dass daraus einige Jahre später mein Beruf werden würde, hätte ich damals allerdings noch nicht gedacht.

Mit welcher Zutat kochst du besonders gerne?             
Ich liebe Umami und verwende daher gerne alle Lebensmittel in meiner Küche, welche diesen deftigen Umami-Charakter mitbringen: Getrocknete Tomaten, Pilze, Miso, Sojasauce und Hefeflocken spielen daher eine wichtige Rolle in meiner Küche. Ansonsten vergeht auch kaum ein Tag, an dem ich keine Nüsse und Hülsenfrüchte esse. Nüsse und Nussmuse sind dabei nicht nur sehr schmackhaft und liefern jede Menge gesunde Kalorien. Daten legen auch nahe, dass ein erhöhter Nussverzehr mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert ist. Dies geht vermutlich auf ihren hohen Gehalt an Vitamin E und der Aminosäure Arginin zurück. Hülsenfrüchte sind nicht nur exzellente pflanzliche Proteinlieferanten, sondern haben außerdem auch einen besonders positiven Effekt auf unseren Stoffwechsel. Sie wirken nämlich nicht nur blutzuckerregulierend auf jene Mahlzeit in der sie verzehrt werden, sondern ebenso auf die nachfolgende Mahlzeit – selbst wenn dazwischen eine ganze Nacht liegt. Das wiederum kann unser Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Mellitus Typ II senken.

Welche Zutaten und Utensilien sollten in keiner Küche fehlen?          
Auf jeden Fall ein großer Vorrat an getrockneten Hülsenfrüchten sowie ein Dampfkochtopf, um die Hülsenfrüchte stets in kürzester Zeit zu garen. Die gekochten Hülsenfrüchte können im Anschluss auch eingefroren werden, um stets einen Vorrat an verzehrfertigen Linsen und Bohnen parat zu haben. Ansonsten tut man sich natürlich auch einen Gefallen, wenn man ausreichend Vollkorngetreide, Pasta, Nüsse und Samen und weitere Trockenprodukte vorrätig hat, um bei Bedarf durch die Zugabe einer passenden Sauce und frischem Gemüse schnell und einfach leckere Speisen kreieren zu können. Da wir jeden Morgen mit einem sehr schmack- und nahrhaften Smoothie aus Kichererbsen, Haferflocken, Bananen, Blaubeeren, Zitrone (inkl. Schale), Nussmus, Leinsamen, Proteinpulver sowie Kurkuma und Pfeffer starten, erweist uns außerdem unser Mixer gute Dienste. Ein gutes Messer ist natürlich auch unverzichtbar.

Was schätzt du an der veganen Szene?              
Ich schätze so vieles an der veganen Szene. Wie Dr. Melanie Joy sagt, ist die vegane Szene eine der am schnellsten wachsenden sozialen Gerechtigkeitsbewegungen des 21. Jahrhunderts und ich denke, jede Person, die heutzutage vegan lebt, ist ein*e Pionier*in und verdient meinen größten Respekt. Wir alle sind ein Teil der Veränderung, die wir uns in der Gesellschaft wünschen und ich danke jedem Menschen, der seinen ethischen Werten entsprechend isst und jenen Lebewesen damit eine Stimme gibt, die ansonsten in unserer Gesellschaft überhört werden.